Hinweis: Dieser Blogeintrag wurde von night-ride.ch, der Vorgängerwebsite von nightride.com, übernommen.
Am Sonntagabend gehörte ich zu den ersten, die über die offenbar stark gestiegenen Preise für die Nightjet-Züge berichtet haben. Einen Tag später wurde es zur Gewissheit: Es handelte sich nicht um ein Versehen, die ÖBB haben mit dem Fahrplanwechsel ein neues Preissystem eingeführt. Eines, das es in sich hat. Die ÖBB selber haben bis heute keine Pressemitteilung veröffentlicht. Stattdessen geben sie in einer Antwort auf meinen Tweet einen Einblick:
Wir haben das Preissystem im Nachtverkehr adaptiert, wodurch es eine breitere Spanne an Preisen gibt. So können wir besser auf die Nachfrage reagieren. An wenig gebuchten Tagen gibt es ein höheres Kontingent in niedrigen Preisstufen. Gut gebuchte Tage werden teurer.
Es geht etwas verklausuliert weiter:
Durch die neue Preisspreizung gibt es künftig für Kund:innen die Möglichkeit, absolute Restplätze für die beliebtesten Zugverbindungen des ganzen Jahres zu bekommen. Das neue Preissystem bietet damit flexiblere Ticketoptionen, die auch kurzfristigere Buchungen möglich machen.
Nun, ich zumindest werde daraus nicht vollständig schlau. Aber es tönt doch sehr nach Dynamic Pricing – der Nachfrage entsprechend dynamisch gesetzte Preise.
Konfrontiert mit den mutmasslichen Erhöhungen verneinen sie dann gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: Es handle sich nicht um eine Erhöhung der Preise, sondern um eine «breitere Preisspanne».
Schauen wir doch mal.
Ich habe gestern Abend eine kleine Auswertung gemacht und sämtliche NJ-Linien, die night-ride.ch ständig abfragt, nach Preisunterschieden untersucht. Dafür habe ich zufällig zehn Daten aus den nächsten drei Monaten herausgesucht und Preise aus dem alten Regime mit dem neuen verglichen (Methodik: siehe Tabellenunterschrift). Es zeigt sich: In den Schlafwagen winken happige Aufschläge, bei den Deluxe-Einzelabteilen beispielsweise gibt es fast eine Verdreifachung. Auch die günstigste Kategorie des Economy-Dreiers erhöht sich im Schnitt noch um rund 15 Prozent.
Die Abschläge sind dagegen weniger ausgeprägt. Vor allem auf den Sitzen wird es künftig günstiger (nicht, wenn man danach zum Chiropraktiker muss!) Abschläge winken auch beim etwas aus die Jahre gekommenen 6er-Abteil, da sind es rund 15 Prozent. Die Mini-Cabins bleiben – wider gestriger, erster Annahme – etwa gleich.
Was heisst das konkret? Heruntergebrochen auf die Linie NJ 490, die mit dem neuen Nightjet befahren wird, sieht es so aus.
Spätestens hier wird klar, dass das mit der breiteren Preisspanne ein bisschen beschönigend war, zumindest was die Schlafwagen betrifft. Da können die Preise bis zu 775 Euro hochgehen. Die Grafik zeigt den vorherigen Preis leider nicht, deshalb hier zur Erinnerung:
Hier noch ein anderes Beispiel: Der Nightjet 408 von Berlin nach Zürich. Mit Ausnahme der 1er-Abteile und des Deluxe-2ers befinden sich alle alten Preise in der neuen Preisspanne.
Doch die erste Auswertung zeigt es: In aller Regel kommen Schlafwagen mit den neuen Preisen teurer zu stehen als vorher. Vielleicht ist dies nun der erste Wurf, und die neuen Preise gehen wieder stärker in Richtung der alten. Vielleicht steht aber auch ein Paradigmenwechsel an: Die Schlafwagen werden zur absoluten Luxus-Option, während die klassischen Liege- und Sitzwagen wieder stärker nachgefragt werden dürften.
Letztere sind bereits heute deutlich unbeliebter, Schlafwagen-Abteile in der Regel früher weg. Offenbar wollen die ÖBB dem entgegen wirken – über den Preis. Ob die Kundschaft mitmacht, bleibt offen.
Klar ist: Damit wird künftig eine schnellere und bessere Preisübersicht noch wichtiger. Und dafür gibt es ja nightride.com. 👌
PS: Ja, es gibt auch noch ein neues Preismodell: die «Standard-Tickets», die man bis zum letzten Tag stornieren kann. Der Vergleichbarkeit halber habe ich diese hier nicht untersucht – ein erster Augenschein zeigt, das diese manchmal teurer, manchmal günstiger zu liegen kommen, oft aber im gleich erhöhten Rahmen.