Hinweis: Dieser Blogeintrag wurde von night-ride.ch, der Vorgängerwebsite von nightride.com, übernommen.

«Wegen geändertem Fahrzeugeinsatz muss für diesen Zug anstatt des Schlafwagens mit der Wagennummer 161 ein Liegewagen eingesetzt werden. Betroffene Reisende mit einer Reservierung wenden sich bitte an das Zugteam oder das SBB Contact Center, ...»

Regelmässige Nachtzugreisende haben so eine oder ähnliche Meldung wohl schon mindestens einmal gesehen – und fürchten gelernt. In der Regel heisst das nämlich, dass es auf der beabsichtigten Reise eine Komforteinbusse gibt: Der gebuchte Schlafwagen fällt – «wegen geändertem Fahrzeugeinsatz (sic)» – aus und wird im besten Fall durch einen Liegewagen ersetzt. Letzteres wird im Fachjargon «Downgrade» genannt.

Ich persönlich habe genau das auf der Strecke Zürich <> Amsterdam mehrmals erlebt. Die Klimaanlage fällt aus, die Heizung funktioniert nicht, oder es ist sonst etwas kaputt – das Wagenmaterial ist zumindest auf dieser Strecke durchaus in die Jahre gekommen und Defekte sind an der Tagesordnung.

Erstmals habe ich nun spezifisch für Schweizer Linien ausgewertet, wie stark diese mit Ausfällen und Downgrades zu kämpfen haben. Die Nachtzüge aus der und in die Schweiz werden alle von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gestellt und in Kooperation mit den SBB betrieben.

Via App und Website kommunizieren die SBB jeweils, wenn es Probleme gibt. Seit Anfang Jahr sammle ich alle diese Meldungen und kann sie nun erstmals für den Zeitraum Januar bis und mit Mai (fünf Monate) auswerten. Methodische Details findet Ihr am Schluss dieses Blogposts.

Pannenzug nach Amsterdam: einsamer Spitzenreiter

Der Blick auf die Daten zeigt klar: Die Verbindungen von Zürich nach Amsterdam via Basel (NJ 402) und noch stärker die Rückfahrt (NJ 403) sind mit Abstand am meisten betroffen. Im NJ 403 gab es an fast 100 Tagen im beobachteten Zeitraum Probleme – das sind rund zwei Drittel aller Fahrten! Auf der Hinfahrt klappt es ein bisschen öfter.

Das Mittelfeld der «Pannenzüge» bilden die Nightjets 467 und 465 nach Wien bzw. Graz sowie der NJ 470 und 471 nach Hamburg bzw. zurück. Auffallend: Dort sind es vor allem Downgrades, komplette Ausfälle kommen weit weniger vor. Dies legt nahe, dass vor allem das Wagenmaterial auf der erst 2022 eröffneten Strecke in die Hauptstadt der Niederlande eine Problemzone ist, was von den Betreibern auch bereits mehrmals zugegeben wurde.

Von den SBB heisst es wiederholt, man sei mit der Situation «unzufrieden». Dass die Situation nun seit über zwei Jahren anhält und auch in diesem Jahr noch nicht merklich verbessert wurde, zeigt die Auswertung von night-ride.ch. Die SRF-Sendung «Kassensturz» hat meine Zahlen für die heutige Ausgabe verwendet. Die Sendung hat die SBB mit der Auswertung konfrontiert.

Fahrgäste unterschiedlich stark betroffen

Angesprochen auf die vielen Ausfälle insbesondere auf der Linie nach Amsterdam betont die Bahngesellschaft abermals, man sei mit der Situation nicht zufrieden und suche fortlaufend nach Lösungen.

Gleichzeitig werden die Zahlen dahingehend relativiert, als dass nicht jeder Ausfall gleich grosse Auswirkungen auf Fahrgäste habe. So seien – exemplarisch – von den 70 Schlafwagen-Ausfällen im NJ 403 lediglich 21 kurzfristig aufgetreten. Die restlichen 49 seien aus Kapazitätsgründen «geplant» gewesen und teils Tage bis Wochen im Voraus angekündigt worden. Die betroffenen Reisenden seien in andere Schlaf- oder Liegewagen umgebucht worden.

Über die Probleme gab es im Laufe der letzten zwei Jahre einige Medienberichte. Im österreichischen «Standard» haben Experten letzten Sommer eine detaillierte Auswertung über besagte Ausfälle publiziert. Damals schon fiel Zürich negativ auf, mit anscheinend besonders vielen Ausfällen bei den Liegewagen. Eine richtiggehende Lotterie wurde die Fahrt jedoch zwischen Wien und Bregenz, wo fast ein Drittel der Verbindungen von Problemen betroffen war. Dies dürfte sich seit dem Einsatz der neuen Nightjet-Garnituren verbessert haben.

Wie Du bei einem Ausfall oder Downgrade reagieren kannst und wie Du Dein Geld zurück kriegst, habe ich übrigens hier aufgeschrieben.

Ende in Sicht?

Doch ein Lichtblick am Horizont gibt es, zumindest lässt das die Menge der Störungsmeldungen vermuten, die seit Februar sukzessive kleiner wurde:

Besonders zuletzt im Mai wurde der Anteil der Schlafwagen-Ausfälle an der Gesamtmenge der Probleme deutlich kleiner. Es gab noch neun Meldungen dazu, und nur ein kleiner Teil davon betraf die Strecke Zürich <> Amsterdam. Bei einer Fahrt Mitte Mai habe ich dort mit Erstaunen zwar nicht modernes, aber zumindest anderes Wagenmaterial angetroffen (noch mit Info-Stickern der schwedischen Bahn SJ ausgetattet – eine Leihgabe in Krisenzeiten?).

Nicht unerwähnt darf bleiben, dass es durchaus auch Nachtzüge gibt, bei denen es offenbar faktisch nie zu Problemen kommt: So habe ich beispielsweise für den EN 40414 von Ljubljana bzw. Zagreb nach Zürich, der zusammen mit der kroatischen Bahn betrieben wird, keine einzige Störungsmeldung gefunden.

Finde einen Nachtzug zwischen Ljubljana, Zagreb und Zürich

Alles zur Methodik

So bin ich vorgegangen: Mindestens einmal täglich habe ich sämtliche oben erwähnten Strecken automatisiert auf Störungsmeldungen überprüft und diese, falls vorhanden, heruntergeladen. Danach habe ich die Meldungen nach betroffener Abteilart, Ersatzabteil (bei Downgrade) sowie beschriebene Lösung klassifiziert. Schliesslich habe ich sämtliche Meldungen, bei denen es zu einem Ausfall oder Downgrade ohne Lösung kam, beibehalten.

Was meine ich mit Lösung? Gemäss Aussage der SBB gibt es eine spezifische Art von Meldung, bei denen es zwar zu einem Ausfall kommt, die Reisenden jedoch nicht betroffen seien. Diese tönen so: «Wegen geändertem Fahrzeugeinsatz fehlt in diesem Zug der Schlafwagen mit der Wagennummer 161. Für die in diesem Wagen gebuchten Plätze wurde eine Umbuchung vorgenommen. Ihre neue Wagen- und Platznummer wird Ihnen vom Zugteam vor Ort mitgeteilt.»

Im Gegensatz zur Situation in eingangs beschriebener Meldung, wo die Reisenden ihrem Schicksal überlassen werden, wurde hier also eine «Umbuchung» vorgenommen. Gemäss SBB wird in einem solchen Fall bei einem Ausfall des Schlafwagens ein gleichwertiger Ersatz geboten. Deswegen habe ich diese Fälle für die Auswertung entfernt.

Bei einem Downgrade (bspw. «[..] muss für diesen Zug anstatt des Schlafwagens mit der Wagennummer 308 ein Sitzwagen eingesetzt werden. Für die in diesem Wagen gebuchten Plätze wurde eine Umbuchung vorgenommen.») hilft dann aber auch die Umbuchung nicht wirklich, dann ist der Name «Downgrade» Programm, das haben die SBB ebenfalls bestätigt. Diese Fälle schliesse ich also mit ein.

Teils gibt es auch die Situation, wo Reisende auf einen Wagen in einem anderen Zug wechseln müssen, der dieselbe Destination anfährt («Wegen geänderten Fahrzeugeinsatzes fehlt in diesem Zug der Schlafwagen mit der Wagennummer 374. Der Schlafwagen 374 verkehrt mit Nightjet 459 mit Abfahrt um 19:59 ab Zürich HB via Leipzig nach Prag. Reisende mit Destination Prag und Reservationen für Schlafwagen 374 reisen mit Nightjet 459. Der Grund dafür sind ungeplante Wartungsarbeiten.»). Diese Fälle habe ich ebenfalls nicht berücksichtigt.

Wenn es pro Tag und Strecke zu mehreren Problemen der gleichen Art kam (beispielsweise führt der NJ 402 zwischen Zürich und Amsterdam zwei Zugteile mit je mehreren Schlaf- und Liegewagen, womit theoretisch auch zwei Schlafwagen ausfallen können), zähle ich diese nur einmal.

Letztlich kann es übrigens sein, dass ein Problem auch einmal nicht kommuniziert wird und die Überraschung erst am Bahnsteig wartet (selber erlebt!). Dann fehlt das natürlich in den Daten, die ich gesammelt habe.

Nichtsdestotrotz glaube ich, dass diese Auswertung ein doch realistisches und faires Bild über die aktuellen «Problemzonen» des Schweizer Nachtzugverkehrs bietet. Wer die Meldungen und meine Klassifikation unter die Lupe nehmen will, darf die Daten hier gerne herunterladen und selber auswerten.